Bericht

Neue Arten im alten Wald - Klimawandel verändert Gesicht der Wälder (Von Martin Oversohl, dpa)

01. November 2019
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Dürre, Stürme, Borkenkäfer: Der Wald bleibt ein Patient, auch wenn er nicht gleich stirbt. Während die Zahl der kaputten Bäume immer weiter zunimmt, machen sich Experten Gedanken, wie Alternativen zu Fichten, Buchen und Tannen aussehen könnten. Und ob sie gefährlich sind.

Stuttgart (dpa/lsw) - Ein paar Momente lang hat man das Gefühl, als lese man das Drehbuch eines hollywoodreifen Katastrophenfilms. Von Dürre und Hitze ist die Rede, von Stürmen und Starkregen, Tornados und der Invasion des Borkenkäfers, dem kaum Einhalt zu gebieten ist. Bei der Vorlage des Waldzustandsberichts gibt es für Forstminister Peter Hauk (CDU) wenig zu beschönigen. So schlecht wie in diesen Tagen ging es dem Wald in Baden-Württemberg noch nie.

Die Bäume sind schwach geworden durch die anhaltende Trockenheit, krank durch den Befall mit Insekten, sie werden gefällt oder fallen zunehmend von selbst. Derzeit ist nach Angaben des Forstministeriums nur jeder fünfte Baum ungefährdet, 43 Prozent der Waldfläche gelten sogar als «deutlich geschädigt». Nadelbäume etwa haben durchschnittlich jede vierte Nadel schon verloren. Egal ob Tanne oder Buche, Eiche oder die nach wie vor dominante Fichte: «Es sind nahezu alle Arten betroffen. Und unsere heimischen Baumarten stoßen an ihre Grenzen», sagte Hauk am Montag in Stuttgart.

Deshalb werfen Forstexperten zunehmend den Blick auf Bäume, die stärker gegen den Klimawandel gewappnet sind. «Der Wald wird in Baden-Württemberg weiter existieren, er wird ja nicht sterben», sagte Hauk. «Doch er wird sich anders zusammensetzen als heute.» Zwar blieben die derzeit dominanten Sorten wie Fichte und Rotbuche, Tanne, Eiche und Kiefer dominant. «Sie bilden auch künftig das Gerüst des Waldes.» Aber dieser wird vielfältiger werden.

Ministerium und Forstwirtschaft setzen deshalb auf den Umbau des Waldes hin zu Baumsorten wie die aus Nordamerika stammende Douglasie oder die Roteiche, die in Südeuropa wächst. Aber auch der Tulpenbaum und die Baumhasel, die Edelkastanie, Hainbuche und Sandbirke, die Japanische Lärche und die Robinie haben laut Waldzustandsbericht Aussicht, künftig stärker in baden-württembergischen Wäldern vertreten zu sein.

Das Problem: Es ist noch unklar, welche Folgen viele dieser neuen Baumarten für die Fauna und Flora haben. «Systematische Anbauerfahrungen für viele potenziell klimaanpassungsfähige Baumarten gibt es kaum», heißt es im Waldzustandsbericht. Deshalb werde untersucht, wie sich die sogenannten Gastbaumarten oder Fremdländer entwickeln und genutzt werden können. «Wir werden da erhebliche Versuchsanbauten machen und Flächen anlegen müssen, um zu eruieren, welche Gefahren von neuen Baumarten wie der Atlaszeder oder dem Tulpenbaum ausgehen könnten.»

Hier drückt der Bund Deutscher Forstleute Baden-Württemberg auf's Tempo: «Wir dürfen nicht mehr kleckern, wir müssen klotzen. Und das landesweit», sagte dessen Landesvorsitzender Dietmar Hellmann in Schwarzach. Schon Anfang der 90er Jahre seien die wichtigsten Daten zum Klimawandel bekannt gewesen. «Man hätte da bereits anfangen können mit Versuchen und Züchtungen, aber man hat es damals unterschätzt oder wollte der Gesellschaft keine Einschnitte zumuten», kritisiert Hellmann. Für ihn geht an einem Umbau des Waldes kein Weg vorbei: «Wenn sich das Klima ändert, kann man nicht so tun, als könnte man so weitermachen wie bislang und den Klimaschutz den anderen Ländern überlassen.»

Der Naturschutzbund (Nabu) hält dagegen wenig vom schlichten Austausch einzelner Arten: «Das ist kein Allheilmittel, auch wenn es sinnvoll ist, das Portfolio zu erweitern und das Risiko zu streuen», sagt Landeschef Johannes Enssle. Vor allem aber müsse die Forstwirtschaft stärker nachdenken, wie sie das ganze Ökosystem stärken könne - nicht nur den einzelnen Baum. Wichtig sei es zudem, weniger Holz aus den Wäldern zu entnehmen. Dichter Biowald sei kühler und feuchter, das Wasser werde dort länger im Boden und Holz gehalten.